GMWQualitätsbewertung von Lehr-Lernvideos
R 011 | Luisenstr. 37 | Do 03.09.2015 | 14:30 - 17:30 | W13 | www.kom.tu-darmstadt.de

Gestaltung des Workshops
Der Workshop ist als ca. dreistündige Veranstaltung geplant, die sich in drei Abschnitte gliedert. Im ersten Abschnitt erfolgt eine einführende Darstellung des von den Organisatoren durchgeführten Prozesses zur Erstellung des bestehenden Kriterienkataloges und der angestrebten Nutzung des Kriterienkatalogs. Im zweiten Abschnitt soll der den Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellte Kriterienkatalog zur Bewertung von Videos in Kleingruppen von drei bis vier Teilnehmern anhand von einzelnen Videos angewandt werden. Die Workshop-Teilnehmer erhalten eine Auswahl an Videos von den Organisatoren. Die Erfahrungen aus der Kleingruppenarbeit werden abschließend zusammen getragen und unter den Gesichtspunkten Vollständigkeit und Nutzbarkeit der Kriterien sowie Operationalisierung der Bewertung diskutiert.

Motivation und Zielsetzung
Die Anzahl der im Internet frei verfügbaren Videos steigt exponentiell an. Diese dynamische Entwicklung ergibt sich aufgrund der einfachen Möglichkeit der Bereitstellung von Videos auf Plattformen wie YouTube, der größeren Verfügbarkeit von Anwendungen und Geräten zur Erstellung von Videos mit hoher Auflösung und der kaum noch durch Bandbreiten eingeschränkten Nutzung. 94% der Jugendlichen besitzen ein Smartphone (JIM 2014) und 81% der 14-29jährigen nutzen ihr Smartphone für Online-Aktivitäten (ARD/ZDF-Onlinestudie 2014), sind also potenziell so-wohl Rezipienten wie Produzenten von Onlinevideos. Diese Entwicklungen führen dazu, dass die im Bereich der "distance education" lange etablierten Formate vor-produzierter Lehrfilme und Instruktionsvideos auch in anderen Bildungskontexten neue Aufmerksamkeit erhalten. Massive Open Online Courses (MOOCs) haben zu diesem neuen Schub der Integration von Erklär- und Lehrvideos in Onlineangeboten beigetragen, während im außer(hoch)schulischen Bereich bislang eher die aktive Erstellung von subjekt- und themenbezogenen Videos durch die Lernenden selbst in der Bildungsarbeit im Vordergrund stand (Aktive Medienarbeit). Audiovisuelle Re-präsentationsformen können dabei sowohl Komplexitätssteigerung (Kontextualisierung durch realweltliche Simulation und Narration) als auch Komplexitätsreduktion (durch Modellbildung und Abstraktion) ermöglichen. Sie können als Teil im Zuge einer Handlungs- und Gestaltungsorientierten Mediendidaktik (Kerres & De Witt 2011) Funktionen übernehmen. Die Qualität der auf Online-Videoplattformen ange-botenen "How-To-", Erklär- und Instruktionsvideos, die teils von Laien teils von Profis - dies sowohl auf den Gegenstand wie auf die filmische Produktion bezogen - erstellt wurden, ist entsprechend heterogen.
Für Lernende, die selbständig nach Videos suchen, aber auch für Lehrende, die innerhalb ihrer Lehrveranstaltung Videos zeigen oder solche den Teilnehmern ihrer Lehrveranstaltung als ergänzendes Lernmaterial empfehlen wollen, ist es sehr schwer aus der unüberschaubaren Anzahl von Videos diese mit guter Qualität zu bestimmen (vgl. O'Flaherty & Phillips 2015, S. 89). Eine unabhängige Qualitätsbe-wertung, z.B. in Form eines Qualitätslabels, könnte hier wertvolle Hilfestellung leisten. Dazu bedarf es wiederum eines Katalogs von Bewertungskriterien und Hinwei-sen, wie ein solcher zu nutzen ist. Zugleich ist ein solcher Katalog auch für Produzenten von Lernvideos hilfreich, gibt er doch auch Empfehlungen, wie qualitätsvolle Lernvideos zu gestalten sind.
Eine Diskussion zu lernunterstützenden Videos (kurz: Lernvideos) ist derzeit nur punktuell vorhanden und beschränkt sich zumeist auf einzelne Formen, z.B. Educasts (Zorn et al., 2013), Vorlesungsaufzeichnungen (Rust & Krüger 2011) oder Common Craft Erklärvideos (LeFever 2012). Teilweise werden in den Publikationen praktische Hinweise zur Produktion gegeben, eine systematische und medienpädagogisch fundierte Qualitätsdiskussion findet nach unserer Kenntnis nicht statt. Im Vordergrund der Diskussionen zu Videos stehen aktuell, wenn man die Beiträge in "The Internet and Higher Education" der letzten zwei Jahre (2013-2015) betrachtet, Analysen zu den Konzepten von "flipped classroom"/"inverted classroom" (z.B. O'Flaherty & Phillips 2015) oder zu Erfolgsfaktoren in komplexen interaktiven Set-tings oder MOOCs, in denen auch Videos oder Video-Chats eingesetzt werden. Eine Diskussion der Qualität von lernunterstützenden Videos steht bisher nicht im Zentrum.
Mit der Zielsetzung, einen Kriterienkatalog zur Bewertung von Lernvideos zu entwickeln, haben sich die fünf Organisatoren des Workshops in einer interdisziplinären Gruppe an der TU Darmstadt zusammen gefunden. Ausgangspunkt und Hintergrund für dieses Anliegen stellen die bereits im Rahmen von Qualitätsbeurteilungen computergestützter Lernarrangements (bisheriges Gütesiegel GCL) an der TU Darmstadt entwickelten Instrumente und Forschungsarbeiten u.a. auch zum E-Learning-Label dar (vgl. u.a. Sonnberger & Bruder 2009). Im Rahmen einer Kooperation der TU Darmstadt mit der Universität Graz wurde ein ganzheitlich angelegtes Qualitätsentwicklungsmodell für universitäres Lehren und Lernen mit Unterstützung Neuer Medien ausgearbeitet (vgl. Görsdorf et al. 2009).
Seit 2014 werden von den Vertreter/innen der Medienpädagogik, Informatik und Fachdidaktik in Darmstadt gemeinsam bestehende Videos analysiert. Eine Ergänzung der entwickelten Ausgangskriterien erfolgte basierend auf einer Analyse des wissenschaftlichen Standes der Forschung zur Gestaltung von Lernmedien im Allgemeinen aus pädagogischer, didaktischer und technischer Perspektive. Dabei wurden insbesondere die aus dem GCL bekannten und bewährten Qualitätskriterien berücksichtigt. Die erarbeiteten Kriterien wurden in einem kommunikativen Prozess, der die unterschiedlichen Fachlogiken aufnahm, kategorisiert und präzisiert. In einer ersten Evaluation wurde der Kriterienkatalog daraufhin von 60 Mathematikstudierenden zur Beurteilung von Lernvideos verwendet. Die Rückmeldungen aus dieser Evaluation waren Grundlage für eine erste Überarbeitung des Kataloges.
Im Rahmen des Workshops soll der erstellte Kriterienkatalog der Fachöffentlichkeit in der vorliegenden Fassung vorgestellt und diskutiert werden. Damit sollen insbesondere die Perspektiven weiterer Disziplinen in die Erstellung des Kataloges einbezogen werden.

Literatur

  • Görsdorf, E., Bruder, R. & Sonnberger, J. (Hrsg.) (2009): Qualitätsentwicklung in der Lehre durch Neue Medien. Graz: Leukam.
  • Kerres, M., & de Witt, C. (2011). Zur (Neu-) Positionierung der Mediendidaktik: Handlungs- und Gestaltungsorientierung in der Medienpädagogik. In H. Moser, P. Grell, H. Niesyto (Hrsg.): Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. S. 259-270.
  • LeFever, L. (2012). The Art of Explanation. New York: John Wiley & Sons.
  • O'Flaherty, J. & Phillips, C. (2015) The use of flipped classrooms in higher educa-tion: A scoping review. In The Internet and Higher Education. Volume 25, p. 85-95.
  • Rust, I. & Krüger, M. (2011). Der Mehrwert von Vorlesungsaufzeichnungen als Er-gänzungsangebot zur Präsenzlehre. In: Köhler, T., Neumann, J. (Hrsg.) Wissens-gemeinschaften. Digitale Medien - Öffnung und Offenheit in Forschung und Leh-re. Waxmann Verlag, Münster.
  • Sonnberger, J. & Bruder, R. (2009): Evaluation und Qualitätssicherung durch ein E-Learning-Label. In: U. Dittler et al (Hrsg.): E-Learning: Eine Zwischenbilanz. Heidelberg: Waxmann 2009, S. 55-70.
  • Zorn, I., Seehagen-Marx, H. Auwärter, A. & Krüger, M. (2013): Educasting Wie Podcasts in Bildungskontexten Anwendung finden. In: Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien, 2. Aufl.
  • [JIM 2014] Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest: JIM-Studie 2014. Jugend, Information, (Multi)-Media. Stuttgart 2014.
  • [ARD/ZDF Onlinestudie 2014] van Eimeren, B. & Frees, B.: Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014. 79 Prozent der Deutschen online - Zuwachs bei mobiler Internetnutzung. In Media-Perspektiven 7.8/2014.

Workshop-Leitung und Organisation

  • Prof. Regina Bruder (Mathematikdidaktik, TU Darmstadt)
  • Prof. Petra Grell (Medienpädagogik, TU Darmstadt)
  • Dr. Johannes Konert (Multimedia Kommunikation, TU Darmstadt)
  • Dr. Christoph Rensing (Multimedia Kommunikation, TU Darmstadt)
  • Prof. Josef Wiemeyer (Sportwissenschaft, TU Darmstadt)

Weitere Informationen: www.kom.tu-darmstadt.de